Gedanken zum Johannisfest

Das Johannisfest ruft zur Selbstreflektion auf

Aus Ost und West, aus Süden und Norden kommen zum Johannisfest um den 24. Juni herum die Brüder Freimaurer in ihren Tempeln zusammen. Der Ruf des Predigers in der Wüste, der Ruf Johannes des Täufers, des Schutzpatrons der alten mittelalterlichen Werkmaurerlogen, ergeht wieder einmal an uns alle.
Johannes der Täufer war, so kann man es nachlesen, nicht selbst das Licht, sondern er kam in die Welt, damit er berichten konnte von dem Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt gekommen sind. Er führte die Menschen dazu, dass sie durch ihn an das Licht glaubten und dadurch geführt zur Erneuerung des Geistes gebracht wurden.

Zum Johannisfest kommen alle Brüder zusammen

Zum heutigen Johannisfest sollen alle Brüder der Loge, so steht es schon in den „Alten Pflichten“ von 1723, mindestens einmal jährlich zusammen kommen. So bündelt das Johannisfest sozusagen die Strahlen des Lichts zusammen, nach dem die Freimaurerei strebt.
Alle Glieder unserer Bruderkette, vom jüngsten Lehrling bis zum ältesten Meister, so verschieden wir auch alle sind, sollen sich heute dieses höchsten Lichts, das den Orden vom ersten Grad bis in die höchste Erkenntnisstufe durchdringt, bewusst werden. Aus diesem Bewusstsein heraus wollen wir unsere Kraft erneuern hin zu dem Streben, das Licht immer heller in uns aufleuchten zu lassen.

Der Geist Johannes des Täufers soll uns heute leiten. Das Verhältnis, in dem der Täufer als Schutzpatron zur Loge steht, ist nicht nur äußerlich aus der Bauhütten-Tradition überliefert. Sein Geist berührt auch innerlich das Wesen der Freimaurerei selbst.

 Johannes der Täufer gibt auch uns heute Halt

 Jede Loge und jeder einzelne Bruder feiert nur dann ein richtiges Johannisfest, wenn er sich bemüht, den Geist von Johannes in sich aufzunehmen und wirk­sam werden zu lassen.

Jeder von uns hat wohl schon eine Zeit erlebt, da er sich innerlich leer und ausgebrannt gefühlt hat. Das nach außen ge­richtete Tun und Treiben erscheint auf einmal völlig unwichtig, nichtig und schal. Eine unbestimmte Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung, nach einem neuen Licht und einem neuen, völlig veränderten Leben beginnt sich zu regen.
So stolpern wir durch unser Leben, bis endlich in unserm Innern die Stimme Johannes des Täufers durchdringt: Metanoite: Ändere Deinen Sinn.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt!

Fange heute an damit. Wir wollen uns erneuern.
Johannes treibt uns damit endlich zum Licht, das da schon in der Welt war, das aber die Welt bis dahin nicht kannte.

Das ist der Zustand, den die Freimaurerei bei Suchenden voraussetzt. Das ist der kritische Wendepunkt im Menschsein, wo die alte Zeit vollendet ist und die neue Zeit beginnt; das ist der Augenblick, in dem wir vom Geist Johannes des Täufers berührt werden.
Das ist der Augenblick, den der Orden uns präsentiert, wenn er uns als blinde Suchende die dunklen Wege wandeln läßt und uns dann das erste Licht erteilt.
Nicht bei jedem Bruder fällt der Moment des Aufwachens zu einem neuen Leben, einem neuen Anfang, zeitlich zusammen mit seiner Aufnahme in die Freimaurerei.

Heute haben wir aber erneut eine Chance, diesen Weckruf zu hören.
Heute am Johannisfest sollte jeder von uns prüfend in sich schauen, ob er schon einmal den Weckruf Johannes des Täufers gehört hat.

Provinzialmeister Hauke Thiesen
(Ansprache gehalten zum Johannis- und Stiftungsfest der PLvSH am 10. Juni 2023 in Neumünster)